BLACKOUT. WARUM DIESER IN ALLER MUNDE IST UND WAS DIE WAHRSCHEINLICHKEIT EINES EINTRITTS TREIBT.

Strombedarf

Unsere Welt braucht immer mehr Strom. Die erwartete Steigerung in Österreich, in den
kommenden Jahren bis 2030, liegt bei 48,4%.
Diese Steigerung soll nahezu zur Gänze aus
alternativer Energieerzeugung (Wind und
Solarenergie) gedeckt werden. So begrüßenswert die alternative Energieproduktion ist, bringt diese zwei Herausforderungen mit sich. Denn alternativ gewonnene Energie steht nicht immer zum benötigten Zeitpunkt und auch nicht immer am Ort des Bedarfs zur Verfügung.

Stromverteilung

Da also die alternativ gewonnene Energie oft
nicht in der Nähe des Ortes, wo sie benötigt wird, anfällt (vgl. Stromproduktion in großen
Windparks in der Nordsee, Stromverbraucher
im Süden und Südwesten der Bundesrepublik
Deutschland), müssen teils enorme Strommengen über weite Strecken von der Produktion zu den Verbrauchern transportiert werden.

In Österreich wurde beispielsweise im Dezember 2022 so viel Strom importiert wie noch nie, bei einem Tagesspitzenwert von 100,5 GWh am 21.12.2022 und der höchsten Importleistung innerhalb von 15 Minuten von 5.551,6 MW.

Um den hohen Leistungsbelastungen entgegenzusteuern, werden sogenannte Redispatch Maßnahmen getroffen. Das sind gezielte Regeleingriffe zur Anpassung der Leistungseinspeisung von Kraftwerken. (Details). Allein in den ersten 9 Monaten des Jahres 2022 erfolgten diese durch die APG an 181 Tagen.

© https://oesterreichsenergie.at/

Stromspeicherung

Bei der konventionellen Energiegewinnung mit Kraftwerken sind die großen rotierenden Massen aller Turbinen in den Kraftwerken ein großer Energiespeicher. Durch den Wechsel auf alternative Energiegewinnung und die Abschaltung von thermischen oder atomaren Kraftwerken entfällt die Speicherleistung dieser Turbinen. Entsprechende Speichertechnologien sind für die benötigte Energiemenge noch nicht einsetzbar. Bedenklich ist auch, dass der Strommarkt keinerlei Anreize für die Stromspeicherung anbietet. Die einzige Ausnahme sind Pumpspeicherkraftwerke, wie sie auch in Österreich existieren, die bekanntesten sind Malta und Kaprun. Wenn jedoch, wie in anderen Ländern, die Topologie nicht ausreicht (flaches Land), ist diese Technologie nicht möglich.

Stromverbrauch

Deutliche Veränderungen gibt es auch beim Stromverbrauch selbst. Die Elektromobilität, aber auch die rasant steigende Anzahl an Wärmepumpen lassen den Bedarf an Strom deutlich steigen. Ein kleines Beispiel zur Illustration: selbst ein sehr kleines Elektrofahrzeug braucht für 100 km deutlich mehr Strom als beispielsweise ein Reihenhaus oder eine Wohnung pro Tag.

Stromnetze

All diese Änderungen steigern die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und Kapazität der Stromnetze deutlich. Die bestehenden Stromnetze können nur mehr mit Mühe und durch laufende Eingriffe aufrechterhalten werden, eine wirksame Erneuerung der bestehenden Infrastruktur dauert 10 oder mehr Jahre ab Beginn der Arbeiten.

Die folgenden Zitate von Gerhard CHRISTINER, dem technischen Vorstandsdirektor der APG (Austrian Power Grid, https://www.apg.at/ ), beschreiben das Dilemma treffend:

„Ein Energiesystem, das in Zukunft auf 100 Prozent Erneuerbaren fußen soll, müsse ganz anders konstruiert sein…. Der Plan, wie das zu passieren hat, den gibt es nicht.“

„…am liebsten hätte man alle thermischen Kraftwerke möglichst bald abgeschaltet, … nur, wir haben nicht die ganzen Begleitmaßnahmen getroffen, die dafür notwendig sind.” (

vienna.at 07.09.2022,
https://www.vienna.at/apg-vorstand-stromversorgung-nicht-so-sicher-wie-frueher/7620106)

In eine vergleichbare Richtung gehen die Aussagen von Stefan ZACH, Leiter Kommunikation der EVN, am Blackout Gipfel der WKNÖ am 13.09.2022:

„Früher bestimmte der Kunde den Bedarf der Produktion, heute die alternative Energie die Stromverteilung.“

„EVN erneuert seine Netze. Es werden 2x so viel Trafos, 2x so viel Leitungen, 3x so viel Leitungsquerschnitte [je  größer der Leitungsquerschnitt, desto mehr Energie kann transportiert werden] installiert, Zeithorizont zur Umsetzung 10+ Jahre.“

„In NÖ wird an manchen Tagen das 10fache des Bedarfes erzeugt.“

Blackout Gipfel WKNÖ, 13.09.2022

Die Beispiele zeigen, dass der Energiewandel, bei all seiner ökologischen Notwendigkeit und Dringlichkeit, gewaltige infrastrukturelle Herausforderungen bringt, die auch erhebliche Zeiten für die Umsetzung benötigen. In diesen Zeiten des Umbruchs ist das Risiko einer Störung einfach höher.

Weitere Risiken

Weitere Risiken erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts erhöhen. Die Klimaerwärmung destabilisiert die Energieinfrastruktur durch potenzielle Extremwetter-Ereignisse wie

  • einen Tornado im Sommer 2021 an der Tschechisch-Österreichischen Grenze,
  • die Trockenheit 2022 und damit reduzierte Wasser- Thermische- und Kernkraftnutzung
  • ein sehr trockener Winter 22/23, der für Italien 2023 eine Rekorddürre erwarten lässt

Genauso sind aber auch Folgen aus dem aktuellen Krieg in der Ukraine (Hackerangriffe) oder technische Defekte mögliche Ursachen für ein Blackout.

Eine mögliche Energiemangellage, die sich aus den beschrieben Szenarien ergeben kann, führt nicht zu einem Blackout, sondern zu gezielten Energieabschaltungen. Diese können die gleichen Auswirkungen und Folgen wie ein Blackout haben, sie treten aber nicht überraschend ein. Die Bezeichnung „rollierende Blackouts“ dafür erscheint mir durchaus angebracht.

Links zum Themenkreis der Wahrscheinlichkeit eines Blackouts

Herwig Kluger

CIO

WKO Inhouse der WK Österreich

About

Herwig Kluger hat nach seiner Matura bei SIEMENS in Nürnberg eine kaufmännische Ausbildung (Stammhauslehre) abgeschlossen und im Anschluß im Controlling bei der SIEMENS Tochter UHER AG gearbeitet. Seit 1989 ist er in der IT tätig, seit 1990 als CIO in österreichischen Tochterunternehmen verschiedener internationaler Konzerne (PSA, trans-o-flex, Wolseley, Mc Kesson) und in der Inhouse GmbH der Wirtschaftskammerorganisation. Seit 2021 auch für die Themen Blackoutprevention und Krisenresilienz des Unternehmens verantwortlich. Mit März 2023 beendet Herr Kluger pensionsbedingt seine CIO Funktion, arbeitet jedoch im Unternehmen und selbständig im Bereich Blackoutprevention und Krisenresilienz weiter. Herr Kluger ist auch selbständiger Unternehmensberater und geprüfter Mediator.

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