DIE POTENTIALE VON CHINAS DIGITALER TRANSFORMATION FÜR UNTERNEHMEN

Was können Unternehmen aus anderen Ländern von Chinas digitaler Transformation, vor allem im B2B Bereich, lernen bzw. wo liegen mögliche Hindernisse?

Die wichtigsten Learnings aus China beziehen sich vor allem auf das Mindset, das für die Digitalisierung und für Entwicklungen unabdingbar ist. In China spielen Agilität und Flexibilität eine große Rolle. Auf der einen Seite wird sehr langfristig geplant, beispielsweise mit den Fünf-Jahres-Plänen der Regierung oder den Zehn-Jahres-Initiativen wie Made in China 2025. Auf der anderen Seite treten im Laufe der Umsetzung oft Planänderungen ein, während das Hauptziel immer im Auge behalten wird. Das Zusammenspiel aus langfristigen Visionen, flexiblen Anpassungen und Einfach-Machen-Mentalität führt dazu, dass sich die chinesische Digitalwelt kontinuierlich weiterentwickelt. Agilität ist nicht nur ein Buzzword, sondern sie wird im Alltag wirklich gelebt.

Außerdem ist man in China bei der Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen eher pragmatisch als perfektionistisch. Für einen Launch wird nicht gewartet, bis das Ergebnis perfekt ist, sondern ein Minimum Viable Product (MVP) wird einfach auf den Markt gebracht und anhand von Kundenfeedback verbessert und erweitert. Während einige Produkte dabei keinen Erfolg haben, wird aus Fehlern schnell gelernt und es werden wieder neue Produkte und Services entwickelt. Wenn es um Technologien geht, kann in China beobachtet werden, wie wichtig das Thema Video ist und wie es aus dem Geschäftsleben, auch im B2B-Bereich, nicht mehr wegzudenken ist. Dabei gibt es zahlreiche Best Practices aus dem E-Commerce Livestreaming, in dem beispielsweise Maschinenbauunternehmen in China über einen einzigen Video-Livestream mehrere Tausend Bagger, Mobilkräne oder Gabelstapler verkaufen können.

Auch das Recruiting von Personal läuft immer mehr über Video-Apps wie Kuaishou oder Douyin ab, in denen Livestream-Hosts vakante Stellen präsentieren und die ersten Schritte im Einstellungsprozess oder sogar im Onboarding übernehmen. Messen und Veranstaltungen finden ebenfalls zunehmend über digitale Plattformen statt und es hat sich in den letzten Jahren eine starke Annäherung der B2B- und B2C-Bereiche herauskristallisiert, insbesondere im Marketing und Verkauf.

Natürlich kann nicht alles 1:1 von China übernommen werden. Zum Beispiel breitet sich das Liveshopping in Europa zwar kontinuierlich aus, doch es steckt immer noch in den Kinderschuhen. TikTok hat im letzten Sommer seine Pläne auf Eis gelegt, eine Liveshopping-Funktion für Europa einzuführen, weil der große Erfolg in Großbritannien ausgeblieben ist. Für viele Trends sind die europäischen User noch nicht bereit. Wichtig ist allerdings, sich in der eigenen Branche als Early Adopter zu positionieren, indem man schnell und konstant neue Trends ausprobiert. Nach dem Motto „done is better than perfect“ schauen, was die eigene Zielgruppe interessieren könnte und wie man sie für Neues begeistern kann. Denn das ist das, was Unternehmen von Chinas digitaler Transformation in erster Linie lernen können: flexibel und agil sein, einfach machen und dranbleiben.

Alexandra Stefanov

Gründerin

China Impulse

About

Alexandra Stefanov ist Sinologin sowie Gründerin von China Impulse, Autorin des Buchs „Digitalisierung Made in China“, Herausgeberin des Magazins „China im Blickpunkt“ und Host des Podcasts „China Impulse – Zukunftstrends aus dem Reich der Mitte“. Im Rahmen von Vorträgen, Workshops und Beratungen gibt sie Einblicke in die chinesische Digitalwelt und zeigt auf, was wir davon für unsere eigene digitale Transformation in Europa lernen können. Zudem promoviert sie an der Universität Marburg zur Digitalisierung der Automobilindustrie im deutsch-chinesischen Kontext.

 

 

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